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Gesundheitsreformen brauchen Tempo: „Koalitionspapier ist geduldig – Patienten und Heilberufe weniger“

Blog-Eintrag -

Gesundheitsreformen brauchen Tempo: „Koalitionspapier ist geduldig – Patienten und Heilberufe weniger“

Ein Kommentar von Nicole Wortmann, Leiterin des Bereichs Gesundheitsmarkt bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)

Die neue Regierung steht – auch vor einem überlasteten und unterfinanzierten Gesundheitswesen. Welchen Stellenwert wird nun also die Gesundheitspolitik einnehmen? Immerhin: Neun von 146 Seiten des Koalitionsvertrags entfallen auf das Thema Gesundheit und Pflege. Aber das ist erstmal Papier, und Papier ist bekanntlich geduldig. Weniger geduldig sind aber die Patientinnen und Patienten, ebenso wie die Ärzte, Apotheker, Zahnärzte und andere Heilberufe, die inzwischen oft an der Belastungsgrenze arbeiten. Denn der demografische Ernstfall ist längst Wirklichkeit. Zugegeben, es ist ein schleichender Prozess, doch er war vorhersehbar. Schon heute verschiebt sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern rasant, und mit jedem Jahr wächst der Bedarf an medizinischen und pflegerischen Leistungen älterer Menschen. Es wachsen leider aber auch der Finanzierungsbedarf, der Fachkräftemangel und die Versorgungslücken. Was ist also zu tun und wo anfangen?

Finanzierung stabilisieren – solidarisch und nachhaltig

Zuallererst gilt es, die hohen Defizite der Gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung abzubauen und die Finanzsituation im Gesundheitssystem zu stabilisieren. Konkrete Vorschläge liegen vor: für effizienteren Ressourceneinsatz – sei es bei Finanzmitteln, sei es bei Fachkräften – oder die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch Steueraufkommen. Die Rechnung wird auch deutlich kleiner, wenn weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung herrschen – beides führt zu weniger Kosten und zu mehr Zeit für die Patienten.

Gleichzeitig darf die Versorgung nicht an unterfinanzierten Strukturen scheitern. Es braucht eine faire Vergütung für alle, die die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten, und es braucht gezielte Investitionen in innovative Modelle, um auch die Bevölkerung auf dem Land nicht zu vernachlässigen. Das ist alles nicht neu – aber umso unverständlicher, warum die Umsetzung solcher dringenden Maßnahmen nicht richtig gelingt und sie auf der politischen Agenda gar hinter umstrittene bzw. fragwürdige Vorhaben wie zum Beispiel die Legalisierung von Cannabis geraten.

Gesundheitsversorgung neu denken – regional und digital

Ist die finanzielle Stabilität abgesichert, kann an der Modernisierung des Systems gearbeitet werden. Auch dafür gibt es bereits Ideen oder sogar schon erprobte Anwendungen – vor allem die sektorenübergreifende Versorgung eröffnet ein Feld für neue kooperative Modelle. Die Uckermark macht es vor: Das Ambulant-Stationäre Zentrum (ASZ) Templin ist ein Referenzprojekt dafür, wie eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Kliniken, Kassenärztlicher Vereinigung, Stadt Templin und Krankenkassen gelingen kann. Es ist leider aber auch eine Blaupause dafür, dass solche Initiativen nur mühsam ihre Finanzierung aushandeln können, weil ein entsprechender gesetzlicher Rahmen fehlt.

Dabei reichen Modellprojekte längst nicht mehr – Skalierung ist das Gebot der Stunde. Gerade in unterversorgten Gebieten sind alle – auch Kommunen und Krankenkassen – aufgerufen, gemeinsam zu handeln, denn die Versorgung wird nun mal zunehmend kooperativer, ambulanter und interprofessioneller. Auch Digitalisierung darf nicht dauerhaft ein Pilotprojekt bleiben, sondern muss ein funktionierender Standard werden. Und Investitionen in Prävention sind kein Luxus, sondern eine nachhaltige Strategie, die die künftigen Gesundheitsausgaben im Zaum halten dürften.

Schnell handeln – gezielt und gemeinsam

Die neue Gesundheitspolitik muss also unverzüglich starten – denn die demografische Uhr tickt, und eine schnelle finanzielle Behandlung ist bitter nötig. Das gilt vor allem für Kliniken, für Apotheken und die Versorgung im ländlichen Raum. Es braucht mehr Tempo bei der Einrichtung von Expertenkommissionen und Bund-Länder-Arbeitsgruppen – die Probleme und Themen sind ja bekannt, und der Koalitionsvertrag setzt an den richtigen Stellen an.

Zwar schwebt über all den Absichtsbekundungen der Vorbehalt der finanziellen Machbarkeit wie ein Damoklesschwert, doch Gesundheit darf keine Frage des Geldes sein. Sie ist vielmehr ein gesellschaftliches Gut, das geschützt werden muss. In diesem Sinne darf das Koalitionspapier nicht zu Makulatur werden, und die verhärteten Fronten der letzten Legislaturperiode zwischen Politik und Heilberufen sollten der Vergangenheit angehören - denn nur gemeinsam werden wir das deutsche Gesundheitswesen effizienter und zukunftsfester aufstellen können.

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