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Notfallversorgung: „Bei Ihnen war noch Licht“
Nicht bei allen Patienten, die die Notfallambulanzen der Krankenhäuser aufsuchen, handelt es sich tatsächlich um einen Notfall. Insbesondere an den Wochenenden und in den Abendstunden macht sich in deutschen Kliniken eine „24/7-Erwartungshaltung“ der Bevölkerung bemerkbar, wenn medizinische Betreuung auch außerhalb der Öffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte erwartet wird - zum Nachteil der Menschen, die als tatsächlicher Notfall länger warten müssen. Der Anteil der Fälle, die eigentlich in die ambulante Versorgung gehören, ist so stark gestiegen, dass Notfalleinrichtungen überlastet sind.
Medizinische Versorgung rund um die Uhr
Unter der Überschrift „Härtetest Notfallversorgung“ sprach Dr. Heinz-Wilhelm („Doc“) Esser, Oberarzt am Klinikum Remscheid und Moderator des „WDR Gesundheitscheck“ auf dem Gesundheitskongress des Westens mit Referenten über die aktuelle Situation in den Kliniken und ein Kölner Modellprojekt.
Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, erläuterte einleitend die Pläne des Gesetzgebers. Dieser will mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz künftig die Vermittlung der Terminservicestellen über eine so genannte Triage verbessern. Nach einer strukturierten Ersteinschätzung soll dann entweder an eine Arztpraxis, eine Portal- oder Bereitschaftspraxis oder die Notfallambulanz verwiesen werden. Hierzu müssen die Terminservicestellen 24-Stunden erreichbar sein. Hofmeister sieht zwar im Zusammenhang mit der „Vermittlung eines nicht so dringlichen Dermatologentermins nachts um zwei“ Nachbesserungsbedarf; gleichwohl gelte es, die Patienten in die richtige Versorgungsebene zu leiten. Wichtig sei dabei, die Versorgung nach regionalen Gesichtspunkten zu steuern, wobei die Anwendung für den Bürger einfach sein muss. Diesen stärker in die Verantwortung zu nehmen, ist aus seiner Sicht ebenfalls sinnvoll.
Sektorübergreifend alle Ressourcen nutzen
In Köln ist seit Anfang des Jahres bereits ein neues Modell in der Erprobung. Dr. Frank Bergmann, Vorstandvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, stellte vor, wie in der Notfallversorgung sektorübergreifend zusammengearbeitet wird. Das Modellprojekt nutzt die bestehenden Strukturen und hat sie neu vernetzt, indem der Rettungsdienst in die Patientensteuerung einbezogen wird. Die Arztrufzentrale und die Rettungsleitstelle Köln wurden verbunden und die Ersteinschätzung vereinheitlicht. Auf dieser Basis werden Patienten tagsüber an teilnehmende Kooperationspraxen verwiesen. Die Voraussetzungen für diese Praxen sind überschaubar: Sie müssen ab 8 Uhr erreichbar sein, es muss einen Ansprechpartner geben, eine besondere Pflicht zum Hausbesuch besteht nicht und die Vergütung von 20 Euro je Fall erfolgt extrabudgetär. Aktuell nehmen 35 Praxen unterschiedlicher Fachrichtungen an dem Modellprojekt teil. Schätzungsweise 100.000 Patienten sollen pro Jahr der ambulanten Versorgung zugeführt werden und damit Rettungsfahrten und die Notaufnahmen entlastet werden. Die Evaluation des auf zwei Jahre ausgelegten Modellprojekts wird in Zusammenarbeit mit dem Ministerium erfolgen.
Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor
Wie notwendig die Entlastung für die Notaufnahmen ist, unterstrich Prof. Dr. Horst Kierdorf, Klinischer Direktor der Kliniken der Stadt Köln. Die verstärkte Inanspruchnahme führt in den Kliniken zu steigenden Kosten und in der Folge sind die Notaufnahmen für die großen Häuser häufig defizitär. Ohne eine gemeinsame Struktur drohe auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel eine Versorgungslücke an der Schnittstelle zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen. Kierdorf betonte das Interesse der Krankenhäuser an einer gemeinsamen Lösung und begrüßte das Kölner Modellprojekt ausdrücklich.
Einen Einblick in die Arbeit des Projekts gab Prof. Dr. Dr. Alexander Lechleuthner, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Köln. Bei der Klassifizierung der Einsätze zeige sich die Verteilung nach Schweregrad der Fälle relativ stabil. Wenngleich nach knapp drei Monaten im Betrieb noch keine statistisch belastbare Auswertung vorliegt, sind doch erste Indizien erkennbar. Demnach ist das Projekt gut angelaufen. Nach einem Jahr Vorbereitung für Algorithmen und Technik funktioniere der Austausch sowohl auf Arbeits- als auch auf der Führungsebene. Lechleuthner bezeichnete die vertrauensvolle Zusammenarbeit und den regelmäßigen Austausch als wesentliche Erfolgsfaktoren.